
„Ihr seht mich nicht, aber vielleicht ahnt ihr, wo ich bin. Selten habe ich die Gelegenheit, mich an meinen Lieblingsplatz im Gästezimmer zurückzuziehen, aber heute haben meine Dosenöffner nicht aufgepasst und die Tür offen gelassen. Ein Spalt nur und ich bin durch. Dann suche ich nach einer Stelle, an der die Bettdecke weit genug überhängt, so dass ich darunter kriechen kann. Hier habe ich meine Ruhe. Ich höre nichts, ich sehe nichts, ich habe keine Angst. Angst habe ich nämlich viel.
Vor fremden Menschen besonders. Die kommen ins Haus, nachdem es an der Haustür geklingelt hat.
Vor Erbsen, die unter meinen Liegeplätzen liegen. Natürlich. Das wisst ihr.
Vor Staubsaugern, die über den Boden flitzen und Krach machen.
Vor allem Großen, was die Dosenöffner tragen: Leitern, Eimer, Körbe, Kissen, Handtücher, … . Alles eben.
Vor wenigen Minuten haben sie diese beiden riesigen Bilder durch die Gegend getragen, um herauszufinden, wo sie hängen sollen. Das hat mir erst Angst gemacht, dann habe ich gesehen, was darauf abgebildet ist: Tabasco und Yoshi. Das waren meine beiden Mitbewohner, die im Juli von einem Tierarztbesuch nicht zurückkehrten. Ich weiß, was das bedeutet. Ich weiß auch, dass sie mich nicht gemocht haben. Ich sie aber schon. Tabasco besonders. Ich habe alles getan, um mich bei ihm einzuschmeicheln, doch er hat mir stets gezeigt, dass er der Herr im Haus ist. Mit Yoshi habe ich mich gerne gebalgt. Das mochte der aber garnicht. Jetzt kommen die beiden also an die Wand.
Ich fühle mich schlecht. Irgendwie getroffen. Zurückversetzt. Beleidigt.
Dabei bin ich froh, dass ich nicht auch an die Wand muss. Darüber muss ich nachdenken. Warum ich beleidigt bin. Unter der Decke im Gästezimmerbett geht das am allerbesten. Die Dosenöffner haben schließlich zu tun, was garantiert, dass sie nicht nach mir suchen und ich meine Ruhe habe. Denn sowohl dieses Zimmer als auch das Bett sind tabu.
Übrigens: Erbsen sind in diesem Bett keine. Nie.“



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