“Verstopft”, rief O Captain! My Captain aus dem Bad. Es folgten Flüche, die ich des Anstands wegen nicht im Einzelnen ausführe. Ich sah mich nach Tabbi um. Wo steckte er bloß? Schließlich ist er der Experte für Verstopfung, wie in dem Beitrag zum 1. Tag der Reise eindrucksvoll zu lesen ist. Er war an den meisten Verstopfungen persönlich beteiligt. In seinem hohen Alter – er ist 16 Jahre alt – sind Verdauungsschwierigkeiten angeblich nichts Ungewöhnliches. Tabbi kennt sich mit Ursachen, Symptomen und Lösungsansätzen zu Verstopfungen am besten aus. Er bekommt täglich Laktose, damit sein Verdauungstrakt die Trägheit überwindet. Ich möchte das hier nicht weiter erläutern. Wer, wenn nicht der älteste von uns, sollte sich also angesprochen fühlen?
Tabbi streckte seinen Kopf aus dem Katzenklo. Nur seinen Kopf. Der Rest war nicht zu sehen. Er stellte die Ohren aufrecht, sie drehten sich einmal nach rechts, dann nach links. Er schüttelte angewidert den Kopf. Scheinbar hatte er mit dem aktuellen Vorfall nichts zu tun.
“Es steht Wasser im Klo. Hast du …”, O Captain! My Captain führte seinen Satz nicht zu Ende.
Die Leichtmatrosin verstand ihn wohl trotzdem. “Nein, habe ich nicht!” Sie packte gerade ihre Utensilien für den morgendlichen Duschgang. Welch Theater die Menschen um ihre Wäsche machen. Etwas Spucke reicht doch völlig aus.
Es ging also um das Menschenklo, dieses weiße topfartige Gebilde, in dem man nicht gescheit liegen kann, weil es Wasser statt Streu enthält. Igitt. Jetzt war ich im Bilde. Besser, ich verschwand aus dem Aktionsradius meiner Menschen. Ich sprang vom Schreibtisch runter auf Bank, legte mich gemütlich in eine Ecke, in der ich ausgezeichnete Sicht hatte, verschränkte die Vorderpfoten als Ablage für meinen Kopf. So konnte ich alles aus sicherer Position beobachten.
“Und natürlich haben wir keine Saugglocke an Bord.” O Captain! My Captain kam aus dem Bad und baute sich vor der Leichtmatrosin auf. Er fluchte vor sich hin.
“Natürlich nicht!” Die Leichtmatrosin zuckte mit den Schultern. “Lass uns erst einmal duschen gehen.”
O Captain! My Captain nickte. “Nach dem Kaffee finden wir eine Lösung.”
Ich war überrascht. Was war mit den beiden los? Kein Gezeter. Keine Diskussionen darüber, wer für den Zustand des Klos verantwortlich war. Sehr ungewöhnlich. Jetzt waren wir noch keine Woche unterwegs und schon hatte sich eine gewisse Urlaubsgelassenheit eingestellt. Diese Tosh übte eine geheimnisvolle Wirkung auf meine Menschen aus.
Die Angelegenheit schien fürs Erste erledigt. Die beiden gingen von Bord. Die Badehandtücher lässig um den Hals geworfen. Den Kulturbeutel im Rucksack verstaut. Hand in Hand schlenderten sie über den Bootssteg. Ich schaute ihnen hinterher. Irgendwann konnte ich sie nicht mehr sehen. Ich rollte mich gemütlich ein. Ein Nickercken war dringend notwendig. Nach dem Frühstück – wir haben unser Futter natürlich bereits bekommen – wurde ich stets furchtbar müde.
Das Kreischen des Handstaubsaugers weckte mich. Dieses Ding war eindeutig ein Fehlkauf. Konnte es unsere Katzenhaare nicht leise entfernen? Wir verursachten beim Verteilen nicht so einen ohrenbetäubenden Lärm. Zumindest meistens nicht. Ich verzog mich in die Katzenkajüte und wartete, bis der Krachmacher sein Werk vollendet hatte. Quincy lag schon längst wieder unter seiner Decke.
Die Leichtmatrosin kam in unsere Kajüte und stellte den Monstersauger in seine Garage. Aufladestation nennen die Menschen das. Hier wird das Ungetüm mit Strom gefüttert. Dann blinkt es lethargisch. Je länger die Fütterung dauert, desto mehr Lichter leuchten. Ich habe das gestern auch mal probiert. Da ich keine LEDs besitze, hat mein Schwanz ihre Aufgabe übernommen. Während des Fressens fegte mein Schwanz also von rechts nach links. Je länger der Fressvorgang andauerte, desto aufgeregter wurde mein Schwanz. Ich habe das Blinken schlicht in Bewegung übersetzt. Jetzt müsst ihr wissen, dass wir auf der Tosh nur einen winzigen Futterplatz haben. Tabbi, Quincy und ich sitzen wie die Hühner auf der Stange vor unseren Näpfen. Ich saß dieses Mal in der Mitte und bei jeder Bewegung meines Schwanzes erwischte ich einen meiner Leidensgenossen. Das ließen sie sich nicht lange gefallen, wie ihr euch vorstellen könnt. Tabbi brummte zur Warnung. Quincy fackelte nicht lange und knallte mir eine mit seiner Linken. Tabbi setzte jetzt seine Rechte ein. Ich sprang schockiert hoch, fiel in die Näpfe, die fürchterlich klirrten und umkippten. Der Inhalt verteilte sich auf dem Boden der Tosh. Endlich kam ich auch an die Leckerli ran, die scheinbar allein Tabbi vorenthalten waren. Gute Idee, den verfressenen Staubsauger zu imitieren.
“Der Staubsauger lädt nicht”, sagte die Leichtmatrosin.
Ich sah erstaunt hoch. Tatsächlich: Keines seiner LEDs blinkte.
“Kann es sein, dass wir kein Landstrom haben?”, rief die Leichtmatrosin fragend. “Diese Steckdose funktioniert doch nur mit 220 Volt.”
Ich blickte durch die offene Tür unserer Kajüte zum O Captain! My Captain hinüber. Der beugte sich runter, um einen Blick auf das Bedienpaneel der Tosh zu werfen. “Du hast recht! Die Batterie ist auch schon fast leer”, antwortete er, kletterte an Deck und von Bord. Ich raste in die Lounge, um aus dem Fenster schauen zu können, und sah, dass O Captain! My Captain das Stromkabel in eine andere Dose steckte.
Er kehrte zurück. “Und?”, fragte er.
“Läuft!” Die Leichtmatrosin grinste und ich verdrehte die Augen. Sowas muss man doch merken. Das muss man doch als allererstes prüfen. Diese Möchtegerneseefahrer! Ich schlug mir mit der Pfote vor die Stirn. Ist das peinlich!
O Captain! My Captain ging ins Bad und betätigte die Klospülung. Die Pumpe rauschte und mir wurde schlagartig klar: Das Klo und der Monstersauger mögen dasselbe Futter. Und auch auf die Menschen schien dieser Landstrom einen gewissen rauschartigen Zustand auszulösen. O Captain! My Captain und die Leichtmatrosin gaben sich ein High Five. Das machen sie nie, wenn wir Futter bekommen.
Bilanz des Tages – 27.05.2024:
- Wir haben einen Liegeplatz für die Sommersaison im Yachthafen Wartena ergattert. Der letzte!
- Merke: Wenn der Staubsauger lädt, haben wir Landstrom. Unter normalen Umständen würde die LED im Bedienpaneel der Tosh leuchten. Doch wer will auf einer solchen Reise schon Normalität! Daher wurde die LED werksseitig vorsorglich ausgebaut.
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